Rudolstädter Vogelschießen im Wandel der Zeit

Rudolstädter Vogelschießen auf dem Oberanger um 1890

Der Startschuss für das Rudolstädter Vogelschießen fiel am 28. August 1722, zu dem die Besucher von Schützen, Gauklern und Musikanten unterhalten wurden. Das "fahrende Volk" gesellte sich in späteren Jahren hinzu. Damals wurden den Gästen auch lukullische Genüsse, Bälle und Feuerwerk geboten.

Das traditionelle Rudolstädter Vogelschießen ist offensichtlich der Grund dafür, dass Rudolstadt heute ein Theater besitzt. Im Jahr 1792 ordnete Fürst Friedrich Karl von Schwarzburg-Rudolstadt die Errichtung eines Komödienhauses an, das den Bürgern für die Zeit des beliebten Volksfestes Bildung und Kultur vermitteln sollte und 1793 eröffnet wurde.

Selbst Johann Wolfgang von Goethe gastierte mit seiner Schauspieltruppe aus Weimar, die damals die allererste Adresse in Deutschland war, in Rudolstadt. Er übernahm im Jahr 1794 sowie von 1796 bis 1803 sogar die Intendanz des Rudolstädter Theaters und zeigte dem Publikum das Neueste und Aufregendste, was Theater zu seiner Zeit zu bieten hatte. Dazu gehörten seine eigenen Werke, aber vor allem die neuen Dramen Schillers. Es war in Rudolstadt, wo sich Friedrich Schiller und Goethe am 7. September 1788 das erste Mal persönlich begegneten.

Der Dichterfürst liebte es, mit einem Mädchen aus dem Volke in der einen und mit einer Bratwurst in der anderen Hand über den Festplatz zu lustwandeln. Sein Dichterkollege Friedrich Schiller gehörte der Rudolstädter Schützengilde an und stellte 1788 fest: "Das Vogelschießen ist die einzige gesellschaftliche Anstalt im Jahr für den Hof und seine Stadtleute."

Rudolstädter Vogelschießen auf dem Oberanger um 1910

Austragungsort des Vogelschießens war bis 1952 der Oberanger, direkt neben dem Theater. Seit 1953 entwickelte es sich auf der Bleichwiese zu einem der beliebtesten Volksfeste in der ehemaligen DDR. Nach der Grenzöffnung hat sich die Popularität auch in den alten Bundesländern herumgesprochen. Seit der Platzvergrößerung im Jahr 1996 lockt eine ausgewogene Mischung aus nostalgischen und modernen Schaustellerbetrieben sowie attraktiven Neuheiten jährlich über eine halbe Million Besucher auf die Bleichwiese.

Rudolstädter Vogelschießen auf dem Oberanger um 1920

Zwei unterschiedlich geprägte Festzelte mit abwechslungsreichen Programmen und Live-Musik sorgen für stimmungsvolle Unterhaltung. Die Rudolstädter Schützenvereine beleben alte Traditionen, zu denen ein Festumzug und das traditionelle Armbrustschießen auf den Holzvogel am letzten Sonntag gehören. Unser Volksfest hat ein unverwechselbares Profil bekommen. Wie im Theater wird alles wohldurchdacht in Szene gesetzt. Hier erleben die Besucher kein beliebiges Fest mit Schaustellern als schmückendes Beiwerk, sondern ein traditionelles Volksfest mit besonderer Prägung.

Rudolstädter Vogelschießen auf der Bleichwiese zwischen 1950 und 1960

Mit Plakaten und Programmheften und vor allem in Presse, Funk und Fernsehen wird auf das größte Volksfest in Thüringen aufmerksam gemacht. Kein Wunder, dass sich selbst die namhaftesten Schaustellerfirmen aus allen Teilen der Bundesrepublik um einen der begehrten Standplätze bewerben. Auf der Bleichwiese pulsiert das Leben - mit viel Herzlichkeit und im netten Miteinander ohne Unterschied von Alter, Person und Titel.